Starke Wirtschaft. Gutes Leben

WFG - Wirtschaftsförderungsgesellschaft am Mittelrhein mbH

Wirtschaftsblatt berichtet über Mayen-Koblenz

13.05.2011

Standortvorteil Weitsicht

Wer rastet, der rostet. Und Stillstand ist Rückschritt. Blumige Erkenntnisse aber alleine reichen nicht, um im Wettbewerb zu bestehen. Die Konsequenz für die Kommunen: Ein Fitnessprogramm muss her.

Ein Landkreis im besten Alter: Entstanden 1969/70, ist der Landkreis Mayen-Koblenz mit 213.000 Einwohnern der bevölkerungsreichste in Rheinland-Pfalz und überzeugt mit ökonomischer Potenz, stabilem Branchenmix und günstiger Infrastruktur. Gelegen an den Autobahnen A 48 und A 61 sowie der nahen A 3, erreicht man in einem Radius von 150 Kilometern die Ballungszentren an Rhein, Ruhr, Main und Neckar, und damit sechs Millionen Verbraucher. Zum direkten Einzugsgebiet zählen rund 365.000 Konsumenten. 60.300 Euro und damit 2.000 Euro mehr als der Bundesdurchschnitt erwirtschaftet jeder Erwerbstätige hier jährlich. Und die Burgen und Schlösser des Mittelrheintals bilden die Kulisse für den wachsenden Tourismusmarkt. Von Midlife-Crisis also keine Spur mit Anfang 40. Dennoch ist es nach Ansicht der politisch Verantwortlichen Zeit für einen umfangreichen Check-Up. Deshalb hat der Kreis im letzten Jahr mit der Erarbeitung eines Kreisentwicklungskonzeptes begonnen, das, so Landrat Dr. Alexander Saftig, „die wesentlichen Entwicklungslinien für den Landkreis aufzeigt und als Richtschnur des politischen Handelns dienen soll.“ Dazu wurden unterschiedliche Handlungsfelder analysiert und erste Ziele definiert, um im Wettbewerb der Regionen zu bestehen. „Die Menschen wollen da leben, wo es starke Unternehmen und eine starke Region gibt, wo Lebensqualität und qualifizierte Arbeitsplätze gleichermaßen zu finden sind“, sagt der Landrat.

Wissensmanagement via Web 2.0

Der derzeitige Konzeptentwurf sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, denen sich der Kreis in den nächsten Jahren widmen soll, darunter die nachhaltige Entwicklung der Raum- und Siedlungsstrukturen, sowie die Optimierung der Grundversorgung in den Bereichen ÖPNV, Bildung, Kultur oder Gesundheitsversorgung. Auch die Stärkung der regionalen Identifikation steht auf der To-do-Liste an Mittelrhein und Untermosel, ebenso Klimaschutz, Energieeffizienz, Familienfreundlichkeit und Generationengerechtigkeit.
„Natürlich findet sich auch die Förderung und Stabilisierung der regionalen Wirtschaft im Fokus unserer Arbeit. Neben Ansiedlung und Bestandspflege von Unternehmen begreifen wir die durch den demografischen Wandel entstehenden Herausforderungen in der Arbeitswelt als vorrangig“, so Saftig. Die kreiseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft am Mittelrhein (WFG) setzt hier bereits Akzente und hat unter anderem ein Projekt für Unternehmen aufgelegt, um vorhandenes Betriebswissen zu sichern. Innovations- und Wissensmanagement auf der Basis neuer IT-Werkzeuge lautet die Überschrift. „Das große Stichwort ist natürlich Demografie und Fachkräftemangel. Wie halte ich Wissen und Know-how im Unternehmen, wenn der Meister oder Facharbeiter den Betrieb verlässt oder der langjährige Chef plötzlich ausfällt? Wie mache ich dieses Wissen auch für möglichst viele Mitarbeiter transparent?“, erläutert WFG-Geschäftsführer Henning Schröder die Leitfrage des Projektes. Bisher lägen die Wissensinhalte entweder explizit, in Form von Daten beziehungsweise Informationen, oder implizit in den ‚Köpfen’ der Mitarbeiter vor. Das Kernproblem definiert Professor Dr. Siegfried Schreuder von der Fachhochschule Koblenz: „Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen ist eher selten eine durchgehend ‚professionelle’ interne Kommunikation zu beobachten, sondern vielmehr eine für den aktuellen Sachverhalt hinreichend informelle. So ist nicht verwunderlich, dass ein großer Anteil des insgesamt vorhandenen Wissens irgendwo, bei irgendwem, irgendwie vorliegt. Dieses Wissen steht meist nur den jeweiligen Experten zur Verfügung. Wird solch isoliertes Wissen nur selten abgerufen oder benötigt, ist es langfristig auch nicht gesichert.“

Erfolge sichtbar machen

Das Potential neuer Medien, von Web 2.0-Techniken, eLearning-Werkzeugen bis hin zu Kurzfilmen, müsse für den Wissenstransfer genutzt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen zu verbessern. WFG-Projekmanagerin Eva Kehrig beschreibt die Vorteile des von der Wirtschaftsförderung mit 65.000 Euro unterstützten Projekts: „Der Nutzen besteht darin, dass konkrete Problemlösungen erarbeitet und Lösungen anderer Unternehmen sichtbar werden. Neue Instrumente wie Projektwikis oder Verlaufblogs werden etabliert. Im Teilprojekt ‚Gelbe Seiten’ beispielsweise, das die Andernacher Rasselstein GmbH durchführt, wird analysiert, wie Mitarbeiterkompetenzen mit wenig Aufwand und hoher Transparenz für das gesamte Unternehmen zugänglich gemacht werden können.“
Daneben hat die WFG eine Kooperation mit der FH Koblenz im Bereich von Forschung und Entwicklung intensiviert, um den Austausch zwischen der Hochschule und den ansässigen Unternehmen zu befördern. „Die Produktlebenszkylen werden immer kürzer, der Druck auf die Unternehmen steigt, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten beziehungsweise zu steigern. Deshalb verbessern wir den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und die Entwicklung von neuen Produkten und Verfahren durch die Technologietransferstelle an der FH“, erklärt Henning Schröder. Dabei könne es gleichermaßen um studentische Projektarbeiten, Abschlussarbeiten oder Auftragsforschung gehen.

Wirtschaftsförderungsgesellschaft am Mittelrhein mbH
Henning Schröder, Geschäftsführer
Bahnhofstraße 9
56068 Koblenz
Tel.: 02 61 / 1 08-2 95
henning.schroeder@wfg-myk.de
www.wfg-myk.de
www.kvmyk.de


Wer gründet, der bleibt
Studenten, die ihr berufliches Ziel nicht in der Anstellung, sondern in der Selbständigkeit sehen, unterstützt die WFG im Rahmen des Kooperationsnetzes für Existenzgründungen aus Koblenzer Hochschulen (KoNet). „KoNet ist ein Netzwerk von Gründungsdienstleistern und Institutionen aus der Region, die frühzeitig Potentiale zu erkennen versuchen und die Existenzgründung begleiten“, erläutert Hans-Peter Schomisch vom Team der WFG. Denn wer gründet, der bleibt in der Region und schafft im Bestfall sogar neue Arbeitsplätze. Die Netzwerkpartner, darunter neben der Wirtschaftsförderung das TechnologieZentrum Koblenz und die Hochschulen der Region, haben sich zum Ziel gesetzt, „das Potential von Exi-stenzgründungen aus der Hochschule heraus besser zu nutzen und den Gründern ihr Know-how zur Verfügung zu stellen.“
Existenzgründer sind auch die Adressaten der Nachfolgebörse nexxt-change des Bundeswirtschaftsministeriums, für die die WFG am Mittelrhein als Regionalpartner fungiert. Das Konzept: Wer einen Nachfolger sucht oder interessiert ist, einen Betrieb zu übernehmen, registriert sich bei der WFG. „Wir übernehmen die Kontaktanbahnung zwischen in Frage kommenden Partnern und begleiten den Prozess, beurteilen Businesspläne oder unterstützen bei der Unternehmensbewertung“, so Schröder. Schließlich gelte es eine Reihe von Aufgaben zu bewältigen, wenn der Führungswechsel reibungslos über die Bühne gehen soll.



Hier schlägt das Herz der Weißblechwelt

Es gibt Produkte, die traditionell verknüpft sind mit ihrem Herkunftsort: Printen aus Aachen, Mozartkugeln aus Salzburg, der Porsche aus Zuffenhausen. Was aus dem Landkreis Mayen-Koblenz kommt, hat jeder schon benutzt – die Getränkedose aus Weißblech.

Milliardenfach wird die Weißblechdose hier produziert. Zwei Namen stehen für diese Tradition und Kompetenz: die Rasselstein GmbH in Andernach und die Ball Packaging Europe GmbH in Weißenthurm. Als Tochterunternehmen von ThyssenKrupp gehört Rasselstein – der Name leitet sich von einem nahegelegenen Steinbruch ab – zu den drei größten Verpackungsstahlproduzenten Europas und ist der einzige Weißblechhersteller der Republik. 1835 lieferte Rasselstein die Schienen für die erste deutsche Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth, 1856 begann die kontinuierliche Weißblechherstellung. Heute produzieren 2.400 Mitarbeiter 1,5 Millionen Tonnen Verpackungsstahl für rund 400 Kunden auf dem ganzen Globus.
Neben der Verpackungsindustrie finden die Andernacher Produkte als veredelte und unveredelte Feinstbleche auch Verwendung in Backformen, Batterieteilen, Heftstreifen oder Leiterplatten.

Auf die Verpackung kommt es an

Über drei Viertel der Gesamtproduktion werden exportiert. Das warmgewalzte Stahlband mit einer Stärke von zwei bis drei Millimetern reduzieren die „Rasselsteiner“ auf bis zu 0,125 Millimeter. Geringes Gewicht und enorme Stabilität sowie der optimale Schutz für Lebensmittel sind Argumente, die das Weißblech als Verpackungsmaterial begehrt machen. „Mit immer dünneren Blechstärken und immer leistungsfähigeren Stählen und Oberflächen ermöglicht Verpackungsstahl höchste und anspruchsvollste Verpackungsqualität bei gleichzeitig immer weiter reduziertem Einsatz von Material, gleichbedeutend mit Einsparung wertvoller Rohstoffe und Energien“, unterstreicht Rasselstein-Vorstandschef Dr. Ulrich Roeske. Und die Verpackungsindustrie ist nicht weit, im Landkreis Mayen-Koblenz organisiert sie sich in der Cluster-Initiative Verpackung, Logistik und IT. „Das Clu-ster bringt die ganze Branche voran, auch weil mit Rasselstein und Ball Packaging zwei Hauptakteure beteiligt sind“, sagt WFG-Geschäftsführer Henning Schröder.

Gold für die Weißblechdose

Schon seit Jahrzehnten ist Ball Packaging in Weißenthurm Großabnehmer des Verpackungsstahls aus dem knapp fünf Kilometer entfernten Andernach. Entstanden aus der früheren Schmalbach-Lubeca GmbH, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine damals innovative Metalldose zur Konservierung für Spargel fertigte, firmieren die 300 Weißenthurmer Mitarbeiter seit 2003 unter dem Dach der amerikanischen Ball Corporation. Pro Jahr entstehen etwa 2,2 Milliarden Getränkedosen. „An der dünnsten Stelle der Cola- oder Bierdose hat das Material eine geringere Stärke als ein menschliches Haar“, erläutert Geschäftsführer Wolfgang Hinkel – ein Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen mit Rasselstein. „Durch die kontinuierliche Reduzierung der Materialstärke können wir seit den frühen 70er Jahren eine Materialeinsparung von 55 Prozent nachweisen“, so Hinkel. Zudem wiegen die Getränkedosen heute bis zu 25 Prozent weniger als noch vor 15 Jahren. In Deutschland werden mittlerweile 95 von 100 verkauften Dosen recycelt. Und: Das Recycling von Getränkedosen spart bis zu 95 Prozent der Energie, die zur Neuproduktion des verwendeten Metalls benötigt wird – Fakten, die überzeugen und der Getränkedose aus dem Hause Ball erst im Februar die Gold-Auszeichnung in der Kategorie Umweltverträglichkeit als „Top Produkt Handel 2011“ bescherte.



Darum ist es am Rhein so schön

Der Branchenmix ist eine Stärke des Landkreises Mayen-Koblenz. Im Schatten von Burgen und Schlössern haben sich hier zahlreiche Hidden Champions entwickelt.

Dass ein Hersteller von Schiffsantrieben unmittelbar an Deutschlands größter Wasserstraße liegt, ist wenig spektakulär. Dass es sich dabei um einen Weltmarktführer im Bereich Schlepper mit 250 Millionen Euro Jahresumsatz handelt und der Gründer Josef Becker 1950 mit der Erfindung des sogenannten Ruderpropellers einen Meilenstein für das weltweite Transportwesen gesetzt hat, lässt aufhorchen.

Viele gute Beispiele

Die heutige Schottel GmbH in Spay gehört zu den Hidden Champions im Landkreis Mayen-Koblenz und steht als Synonym für rundum steuerbare Antriebssysteme für die See- und Binnenschiffahrt. „Durch die 360-Grad-Steuerung des Ruderpropellers steht die volle Antriebsleistung zum Manövrieren zur Verfügung“, so Geschäftsführer Professor Dr.-Ing. Gerhard Jensen, der die Verbundenheit der Mitarbeiter am Stammsitz – weltweit sind es rund 800 – und deren umfassende Produktkenntnis schätzt. Damit das so bleibt, wurde die Schottel Academy gegründet, wo Kunden, Kapitäne, Bordpersonal, externe Serviceingenieure, Vertriebspartner sowie eigene Mitarbeiter weitergebildet werden. Auch der nach dem Firmengründer benannte Think-Tank, das Josef Becker Forschungszentrum, hat hier seinen Sitz.
Wie vergleichsweise junge Unternehmen rasch zu weltweiter Beachtung mit ihren Innovationen kommen und schnell die Technologieführerschaft übernehmen, zeigt die Laserline GmbH in Mülheim-Kärlich mit Niederlassungen unter anderem in den USA und Fernost. 1997 im TechnologieZentrum Koblenz, an dem auch die Wirtschaftsförderung des Kreises Mayen-Koblenz beteiligt ist, gegründet, sind heute über 100 Mitarbeiter damit beschäftigt, Diodenlaser für die industrielle Materialbearbeitung beständig zu verbessern. Die modular aufgebauten Diodenlaser werden beispielsweise beim Metall- und Kunststoffschweißen, für Oberflächenbehandlungen sowie zum Schneiden von Blechen eingesetzt.
Und auch das ist Tradition in der Region: der Schieferabbau. Seit Generationen zählt Rathscheck Schiefer und Dach-Systeme aus Mayen zu den internationalen Top-Adressen der Branche. Am Stammsitz mit den über 360 Meter tiefen Moselschiefer-Bergwerken Katzenberg und Margareta beschäftigt der deutsche Marktführer über 130 Mitarbeiter. Und die Nachfrage nach dem ist stabil: „Der Trend an Dach und Fassade geht eindeutig wieder zu natürlichen Baustoffen“, sagen die Geschäftsführer Andreas Jäger und Frank Rummel.
Ein weiteres Aushängeschild der Region ist die 1840 gegründete Karl Heuft GmbH in Bell. Der älteste Backofenbauer Deutschlands produziert Industrie- und Bäckereibacköfen für das In- und Ausland und deckt eine breite Produktpalette ab: vom handwerklichen Etagenofen bis hin zum Mehretagen-Durchlaufofen mit 270 Quadratmetern Backfläche mit dem von Heuft entwickelten Thermo-Oel System. 150 Mitarbeiter erwirtschaften einen Jahresumsatz von 25 Millionen Euro. Der Einsatz regenerativer Brennstoffe brachte den Ofenspezialisten im Februar den Zukunftspreis Heimat der Volksbank RheinAhrEifel ein.


nach oben
Archiv 2024 Archiv 2023 Archiv 2022 Archiv 2021 Archiv 2020 Archiv 2019 Archiv 2018 Archiv 2017 Archiv 2016 Archiv 2015 Archiv 2014 Archiv 2013 Archiv 2012 Archiv 2011 Archiv 2010 Archiv 2009 Archiv 2008 WFG Magazin DIALOG
Matthias Nolte, Nolte Werkzeugbau GmbH zum Fachkräfte-Film